Soll das Grundgesetz demokratiefest gemacht werden?


Seit einigen Tagen läuft eine Debatte, ob es Änderungen des Grundgesetzes braucht, um zu verhindern, dass die AfD nach den nächsten Wahlren den demokratischen Rechtsstaat umbaut. Gerade in Polen sehen wir, dass es extrem schwierig ist, die Eingriffe der PiS in den Rechtsstaat rückgängig zu machen.
Über dieses Thema liest man, gerade auch hier auf LinkedIn, viele halbgare Informationen. Daher ein kurzer Erklärpost 🤓

1. Zunächst mal der wichtige Unterschied Grundgesetz/einfaches Gesetz: Um das Grundgesetz zu ändern, braucht es eine 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Für einfache Gesetze braucht man eine einfache parlamentarische Mehrheit. Einfache Gesetze kann daher jederzeit eine Regierungskoalition erlassen oder ändern, für eine Grundgesetzänderung braucht es einen Kompromiss mit Oppositionsparteien, um über die 2/3-Hürde zu kommen. Jüngstes Beispiel Schuldenbremse: Die könnte die Ampel-Koalition nicht abschaffen, weil sie im Grundgesetz steht.

2. Jetzt haben wir in vielen Fällen ein Ergänzungsverhältnis zwischen Grundgesetz und einfachen Gesetzen. Das Grundgesetz gibt in vielen Fragen nur den groben Rahmen vor und stellt grundlegende Prinzipien auf, die einfachen Gesetze regeln die Details. Dann steht nur dieser Rahmen im GG unter dem Schutz der 2/3-Mehrheit, die Details in den einfachen Gesetzen lassen sich mit einfacher parlamentarischer Mehrheit ändern.
Beispiel Wahlrecht: Da stehen im Grundgesetz nur die Wahlgrundsätze: allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim. Die ganzen Details zur Bundestagswahl, Erststimme/Zweitstimme, Ausgleichs- und Überhangmandate, Wahlkreise usw. stehen im Bundeswahlgesetz, das wiederum mit einfacher Mehrheit geändert werden kann.

3. Jetzt kann es natürlich sein, dass ein einfaches Gesetz gegen die im GG niedergelegten Prinzipien verstößt. Das prüft dann auf Antrag das Bundesverfassungsgericht. Das könnte z.B. beim Wahlrecht der Ampel der Fall sein, sollte dies gegen eines der genannten Prinzipien verstoßen. Allerdings hat der Bundestag, das betont das BVerfG immer wieder, in diesem Rahmen des GG einen weiten Einschätzungs- und Handlungsspielraum.

4. Konkret geht es derzeit darum, ob man Regelungen, das Bundesverfassungsgericht betreffend, im Grundgesetz fixieren sollte, um sie in Zukunft der Änderung durch eine einfache Parlamentsmehrheit zu entziehen. Das betrifft z.B. die Wahl der Richter des BVerfG, ihre Amtszeit von 12 Jahren, die Aufteilung in 2 Senate. Alldies steht derzeit im Bundesverfassungsgerichtsgesetz und wäre mit einfacher Mehrheit änderbar. Eine Regelung im GG, für die man ebenfalls die 2/3-Mehrheiten bräuchte, würde die Änderung unter die 2/3-Voraussetzung stellen.

Darüber wird also gerade diskutiert. Diese Debatte hat auch eine Kehrseite. Denn 2/3-Mehrheiten haben auch immer eine Sperrminorität von 1/3 auf der anderen Seite. Und das ist für die AfD durchaus realistisch. Dazu im nächsten Post. Stay tuned.

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