Die rechtliche Zulässigkeit einer Impfpflicht

Seit einigen Wochen wird wieder vermehrt über eine Impfpflicht diskutiert. Öffentlichkeit und Politik erwecken in großen Teilen den Eindruck, als sei das Thema neu und stünde völlig überraschend jetzt auf einmal auf der Agenda. Diskutiert wird dabei auf einem teils erschreckend simplen Niveau. Hier – in aller Kürze – eine rechtliche Einschätzung zur Impfpflicht. Es reicht nicht zu sagen, eine Impfpflicht verstoße gegen „die Verfassung“ oder gegen „unsere Rechte“. In diesen wichtigen Diskussionen muss man intellektuell Farbe bekennen und konkret werden. Also: Welche Grundrechte wären denn betroffen? Sind Eingriffe in diese Grundrechte möglich? Um die zweite Frage vorwegzunehmen: Ja! Zwingende rechtliche Gründe stehen einer Impfpflicht nicht entgegen.

Eine ausführliche Einschätzung gibt es auf meinem YouTube-Kanal: Und täglich grüßt die Impfpflicht

  • Körperliche Unversehrtheit

Die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II GG) ist in zweierlei Hinsicht betroffen: Durch den „Piks“ und durch die Einführung des Impfstoffs in den Körper. Beide Eingriffe sind rechtfertigbar. Der Piks ist ein minimalster Eingriff. Die Gefahr durch den Impfstoff selbst ist nach Studienlage und wissenschaftlichen Erkenntnissen so gering, dass der Nutzen einer Impfung deutlich überwiegt. „Langzeitfolgen“ gibt es erwiesenermaßen bei einer Covid-19-Infektion, nicht aber durch die eingesetzten Impfstoffe. Nebenwirkungen der Impfung bzw. „Impfreaktionen“ (kurzfristig!) gibt es, diese sind allerdings sehr selten, viel seltener als ein schwerer Verlauf einer Covid-19-Infektion. Ja, eine Impfung ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, dieser ist aber rechtfertigbar.

  • Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 I, 2 I GG) ist höchstens in Bezug auf Informationspflichten in Bezug auf den Impfstatus betroffen, nicht in Bezug auf die Impfung selber. Das Recht, keine Auskunft über den Gesundheitszustand und den Impfstatus zu geben, lässt sich als Unterfall der informationellen Selbstbestimmung verstehen, die anerkannter Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist. Bei der Impfpflicht geht es aber primär um die Impfung selber und nicht um Auskunftsrechte. Diese sind bei 2G, 3G, 3Gplus ebenfalls betroffen. Außerdem wäre auch hier eine Einschränkung möglich.

  • Menschenwürde

Es gibt eine Argumentation, die Menschenwürde (Art. 1 I GG) sei betroffen, weil „der Staat“ ein Experiment an den Bürgern durchführe und diese sozusagen als Versuchskaninchen (eine ganz unglückliche Formulierung von Scholz im Wahlkampf) verobjektiviere. Wäre diese Argumentation richtig, dann wäre eine Impfpflicht verfassungswidrig, weil jeder Verstoß gegen die Menschenwürde, egal wie er motiviert ist, gegen die Verfassung verstößt – das meint das Grundgesetz mit „unantastbar“. Die Argumentation überzeugt aber nicht. Auch hier liefern wissenschaftliche Erkenntnisse die Grundlage der Argumentation: Die Impfstoffe sind aufwendig und state of the art entwickelt, sie durchlaufen aufwendige Zulassungsverfahren und sie sind mittlerweile milliardenfach angewandt (diesen letzten Punkt meinte Scholz im Wahlkampf mit dem Versuchskaninchen-Vergleich). Es wäre – im Gegenteil – geradezu experimentell, diese Impfstoffe, die nach Ansicht aller Personen, die sich auskennen, der Weg aus der Pandemie sind, nicht flächendeckend zur Anwendung zu bringen.

  • Gleichbehandlung

Sollte, wonach es aussieht derzeit, nur eine teilweise Impfpflicht für bestimmte Gruppen kommen, stellt sich zuletzt noch die Frage der Gleichbehandlung (Art. 3 I GG). Ungleichbehandlungen sind zulässig, wenn es für sie einen sachlichen Grund gibt. Der Kontakt zu vulnerablen, schutzpflichtigen Personen ist ein solcher Grund. Einen Punkt haben allerdings Vertreter der Pflegeberufe, wenn sie darauf hinweisen, dass eine Impfpflicht ausschließlich für Pflegende problematisch wäre. Eine teilweise Impfpflicht sollte daher einrichtungsbezogen sein, also auch Putzkräfte, Hilfskräfte, Hausmeister usw. umfassen. In letzter Konsequenz spricht das Gleichheitsmoment sogar für eine allgemeine Impfpflicht, also eine für alle, freilich mit Ausnahmen bestimmter Menschen, die sich nicht impfen lassen können.

Ob eine Impfpflicht kommt, ist am Ende eine politische Entscheidung. Zwingende rechtliche Gründe stehen ihr jedenfalls nicht entgegen. In einem separaten Posting werde ich darauf eingehen, dass ihr auch keine zwingenden ethischen Gründe entgegenstehen. Hier und auf meinem Kanal werde ich dranbleiben und weiter berichten. Es bleibt spannend!

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