Die Schuldenbremse und das Nicht-Wahrhaben-Wollen

Es gibt ja die 5 Phasen der Trauer: Nicht-Wahrhaben-Wollen, Zorn, Verhandeln, Depression, Akzeptanz.

Nach dem Urteil des #BVerfG zur #Schuldenbremse befinden sich weite Teile der Politik und der deutschen Öffentlichkeit nach wie vor in der ersten Phase: Sie wollen es nicht wahrhaben. Man liest und hört allenthalben, die Bundesregierung müsste jetzt halt in den sauren Apfel beißen und den Haushaltsnotstand auch für dieses Jahr ausrufen.

Da sträuben sich dem Verfassungsrechtler die Nackenhaare. Die Schuldenbremse wurde aus Gründen der Haushaltsdisziplin und mit Blick auf die finanzpolitische Generationengerechtigkeit ins #Grundgesetz geschrieben. Sie kennt Ausnahmen, ja. Aber diese Ausnahmen sind eng umgrenzt und müssen – selbstverständlich – tatsächlich gegeben sein. Eine Ausnahme einer verfassungsrechtlichen Vorschrift lässt sich nicht einfach so behaupten, weil es gerade passt. Schauen wir uns das mal kurz an.

Die Schuldenbremse kennt (neben einer kunjunkturbezogenen Komponente) zwei Ausnahmen für akute Krisenzeiten: Bei „Naturkatastrophen oder außergewöhnliche(n) Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“ kann eine Ausnahme von der Schuldenbremse gemacht werden.

Eine solcher haushaltsbezogener Notstand wurde in der Coronakrise angenommen. Im Urteil des BVerfG ging es – vereinfacht gesprochen – darum, dass man die Gelder, die man in dieser Coronazeit rechtmäßigerweise locker gemacht hat, nicht rechtmäßig auf spätere Zeiten und andere Zwecke wie den Klimaschutz übertragen kann.

Die naheliegende Lösung für viele scheint jetzt zu sein: Naja, wenn wir das nicht von früher übertragen können, dann machen wir doch jetzt einfach wieder einen Notstand. Krisen gibt es ja genug. Das geht aber verfassungsrechtlich nicht einfach so! Man müsste ganz konkret darlegen, welche Naturkatastrophe oder außergewöhnliche Notsituation jetzt gerade vorliegt, inwiefern sich diese der Kontrolle des Staates entzieht und inwiefern dies die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt. Natürlich sind aus auslegungsbedürftige Begrifflichkeiten. Aber: Unter Verfassungsrechtlern gibt es viele Stimmen, die den #Klimawandel gerade nicht unter diese Notstandregelung fassen. Der ist nämlich, das wird ja stets betont, menschengemacht, dauerhaft da und nicht überraschend.
Jetzt einen Haushaltsnotstand unter Berufung auf den Klimawandel auszurufen, das wäre ein bisschen so wie bei der Deutschen Bahn, die jeden Winter Fahrten streicht und Strecken sperrt, weil es völlig überraschend schneit und friert und jeden Sommer Wagons sperrt, weil es völlig überraschend heiß ist.

Eine ganz andere Frage ist übrigens, ob die Schuldenbremse generell eine sinnvolle Regelung ist. Aber sie steht nun mal im Grundgesetz und ist damit kein Larifari, sondern eine verbindliche Vorgabe.

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