Kommt jetzt das AfD-Verbot? Teil 4 – Die Grundrechtsverwirkung als Alternative?

Auf mehrfache Nachfrage noch ein Teil 4 meiner Reihe zum AfD-Verbot: Die Grundrechtsverwirkung – warum das keine gute Idee ist

In den letzten Tagen wurde mir – ohne Übertreibung: an die 100 Mal die Petition zur Verwirkung der #Grundrechte von Björn Höcke in meine Timelines gespült. Hintergrund dieser Idee ist das Ziel, Höcke nicht nur bestimmte Grundrechte zu entziehen, sondern vor allem das passive Wahlrecht, ihn also unwählbar zu machen und so zu verhindern, dass er z.B. Ministerpräsident in Thüringen werden kann.

Die Idee ist nicht ganz neu. Die Verfassungsrechtlerin Gertrude Lübbe-Wolff hat die Möglichkeit einer Grundrechtsverwirkung als Alternative zu einem Parteiverbotsverfahren schon vergangenen Oktober in einem Artikel auf dem Verfassungsblog ins Spiel gebracht. Hier ein paar wichtige Punkte dazu:

1. Auch für die Grundrechtsverwirkung gibt es eine ausschließliche Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts. Das BVerfG entscheidet, wie beim Parteiverbot, nicht von sich aus, sondern nur auf Antrag, den der Bundestag, die Bundesregierung oder eine Landesregierung stellen kann.

2. Voraussetzung für eine Verwirkung ist nach Art. 18 GG, dass eine Person bestimmte Grundrechte „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht“. Das ist ähnlich streng zu prüfen wie beim Parteiverbot.

3. Das BVerfG kann, wenn es diese Voraussetzung für gegeben hält, die Verwirkung bestimmter Grundrechte für eine bestimmte Zeit aussprechen. Niemand kann alle Grundrechte für immer verlieren. Zusätzlich ist es möglich, für die Dauer der Grundrechtsverwirkung das aktive und passive Wahlrecht zu entziehen und die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter abzuerkennen.

4. Der politische Vorteil der Grundrechtsverwirkung gegenüber einem Parteiverbot wäre die Zielgerichtetheit. Man könnte sie gezielt gegen eine einzelne Person richten. Das ist aber auch gleichzeitig der Nachteil, da man so die von der AfD ausgehende Gefahr (sofern man diese für gegeben hält) nicht effektiv bekämpfen kann.

5. Und dann gibt es noch eine weitere eklatante Schwäche der Grundrechtsverwirkung. Das BVerfG kann „nur“ über Grundrechte des Grundgesetzes entscheiden, nicht aber über die Grundrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention. Diese blieben. Zudem ist umstritten, ob die Verwirkung auch auf Landesebene gilt. Einige renommierte Verfassungsrechtler sind der Ansicht, dass man die Grundrechte aus der Landesverfassung gegenüber der staatlichen Gewalt des Landes weiter hätte. Höcke hätte demnach also die entsprechenden Grundrechte in Thüringen und Europa, nicht aber in Deutschland. Das wäre ein gefundenes Fressen für alle Populisten.

So plausibel die Grundrechtsverwirkung für viele klingen mag, sie ist – bis zum Ende gedacht – keine gute Idee, selbst wenn man damit unter Umständen einen Ministerpräsidenten Höcke (vorübergehend) verhindern könnte.

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